Rückblicke
Arbeit, Bräuche und Zusammenleben
„Heimat ist jener Ort, an dem mein Bewusstsein geprägt worden ist“
Ilse Tielsch: Die Ahnen-Pyramide
Noch bis ins 20. Jahrhundert prägten Weinbau und Landwirtschaft die Region. Die wachsende Industrie verarbeitete örtliche Naturvorkommen und lokale Agrarprodukte. Schon seit dem 18. Jahrhundert entstanden Webereien und Teppichfabriken, beispielsweise in Zlabings/Slavonice. In der Region um Neubistritz/Nová Bystrice war die herrschaftliche Teich- und Fischwirtschaft landschaftsprägend. Erste Zuckerfabriken wie die in Lundenburg/Breclav standen in direktem Zusammenhang mit der neuen, großangelegten landwirtschaftlichen Produktion von Zuckerrüben. Die keramische Industrie war in der Gegend um Znaim/Znojmo stark. Dort kam im 19. Jahrhundert auch die Gurkenindustrie auf, massenhaft füllte man dort Essiggurken in Gläser ab und vertrieb sie mit Hilfe der Eisenbahn bis in ferne Länder.
Den Alltag strukturierten neben der Arbeit auch die religiös bestimmten Bräuche und Feste. Aus diesem Kontext stammen zahlreiche wohlschmeckende Gerichte, wunderschöne Trachten und Brauchutensilien. Doch die nationale Spaltung drang mehr und mehr vor auch in die breiten Bevölkerungsschichten und brachte eine bittere Note in den Lebensalltag.
Der „Mährische Ausgleich von 1905“
Mit einem Gesetzesbündel wurde im Jahr 1905 versucht, den Nationalitätenkonflikt dadurch zu lösen, dass sich künftig Deutsche und Tschechen in eigenen Kurien selbst verwalten sollten, auch im Schulwesen. Fortan gab es für tschechische Kinder tschechische Schulen, für deutsche Kinder deutsche Schulen. Die Wahlen in die gesetzgebenden Körperschaften erfolgten getrennt, so dass keine Stimme verloren ging. Deutsche konnten nur einen deutschen, Tschechen nur einen tschechischen Kandidaten wählen. Im Mährischen Landtag von 1906 saßen 75 tschechische und 43 deutsche Abgeordnete.
Bei Behörden konnte jeder Bürger sein Anliegen in seiner Sprache vorbringen. Tatsächlich haben die Regelungen des Mährischen Ausgleichs deutlich zu einer Beruhigung des politischen Klimas zwischen den Nationalitäten geführt. Leider war eine Umsetzung dieses Prinzips in Böhmen nicht mehr möglich.
Erste nationalistische Tendenzen
Ende des 18. Jahrhunderts erwachte wie in weiten Teilen Europas auch bei den Tschechen ein Nationalbewusstsein, das aber die gemeinsame Ordnung innerhalb der Monarchie zunächst nicht ernsthaft in Frage stellte. Die Revolution von 1848 brachte dem jüdischen Bevölkerungsteil Gleichberechtigung, und seit
1861 war auch die evangelische Kirche gleichberechtigt und gründete eigene Zentren.
Im Zuge der Neuordnung der Östereich-Ungarischen Monarchie im Jahre 1867 sind der ungarischen Reichshälfte umfassendere Rechte als dem böhmischen Teil eingeräumt worden. Dies ließ die nationalistischen Strömungen der Tschechen erstarken und rief Gegenreaktionen auf deutsch-österreichischer Seite hervor. Vor allem im Vereins- und Kulturleben machte sich dies bemerkbar. Die Vereine, ob Turnverein oder Musikverein, entstanden national getrennt als tschechische oder deutsche, was örtlich immer wieder zu Reibereien führte. Schließlich wurden im Krieg 1915 die tschechischen Vereine einschließlich des
(paramilitärischen) Turnvereins Sokol verboten.
Arbeit in Landwirtschaft und Weinbau
Im Kumpf, gemacht aus einem Kuhhorn, steckt der Wetzstein zum Schärfen der Sensen. Bis zur Mechanisierung der Landwirtschaft wurde alles mit Sensen gemäht: Wiesengras als Viehfutter genauso wie Getreide zum Brotbacken. Solche Handarbeit war schweißtreibend, kräftezehrend und oft auch schmutzig.
Habsburgisch werden
„Früher, als Du noch nicht geboren warst, waren wir alle Österreicher“
Ilse Tielsch: Die Ahnen-Pyramide
Seit dem 13. Jahrhundert, nachdem Stauferkaiser Friedrich II. eine neue böhmische Staatsordnung legitimiert hatte, wurden in Böhmen und Mähren neue Landstriche kolonisiert und neue Städte gegründet – wie zum Beispiel Znaim im Jahr 1224. Die Bevölkerung wuchs durch Zuströme aus Bayern, Liechtenstein und dem Habsburger Kaiserreich, dem die Region seit 1526 für fast 400 Jahre bis 1918 einverleibt wurde. Mähren blieb auch unter den Habsburgern eine Markgrafschaft. Die deutsche Sprache war vorwiegende Amtssprache im Habsburger Reich, obwohl Tschechisch seit der „verneuerten Landesordnung“ von 1627 dem Deutschen eigentlich gleichgestellt sein sollte. Seit 1750 galt mit dem Konventionsgulden eine einheitliche Währung, seit 1754 ein einheitliches Maß- und Gewichtssystem.